Die Jagd nach den Täufern

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Kurzeinführung für den BESJ-Lagermitarbeiterkurs 2006/2007

Einleitung

Das Thema "Die Jagd nach den Täufern" als Kursthema im BESJ-Lagermitarbeiterkurs 2006/07 fügt sich - unbewusst - in eine ganze Reihe von offiziellen und privaten Projekten zum "Täuferjahr 2007 - Die Wahrheit solt bezüget werden". Anlässlich dieses Täuferjahres werden Theater aufgeführt, Bücher geschrieben, Reisen organisiert und vieles mehr.  

Der Lagermitarbeiterkurs bildet in erste Linie BESJ-Jungscharleiter zu Jugend+Sport-Leitern in der Sportart Lagersport/Trekking aus. In zweiter Linie wird ein Thema in die Leiterschar eingeführt, so dass diese ihrerseits entsprechende Lager organisieren und durchführen können. Um die Teilnehmer und Leiter dieser Kurse (und später allenfalls auch Interessierte) in die Thematik einzuführen, wurde dieses Dossier erarbeitet. Es erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Fehlerlosigkeit. Vielmehr soll es einen Überblick verschaffen, damit die Lagerorganisatoren über Hintergrundwissen verfügen.

Dieses Dossier beschreibt vor allem die Vorgänge zu den Bernischen Täufern. Wo nötig wurden Informationen aus dem näheren und weiteren Umfeld eingeflochten. Für vertieftes Einführen in die Thematik existierte eine ausführlichere Version im BESJ.  

Wir danken an dieser Stelle Dr. Hanspeter Jecker, Bibelschule Bienenberg, für die wertvollen Infos und den geschichtlichen Überblick sowie für das Gegenlesen der Rohfassung.  

Dir als Leser - sei es als Teilnehmer oder Leiter in einem Lagermitarbeiterkurs oder als Interessierter - wünschen wir viel Gewinn beim Erforschen des täuferischen Geschichtsgutes der Schweiz und deinen Lagerteilnehmern viel Freude in Lagern zu diesem spannenden Thema.

                                                 Lori Keller und Sara Kündig

Kurzer geschichtlicher Überblick

Geschichte  

Wir beginnen bei der Reformation  

Die Reformation ist eine Bewegung des 16. Jahrhunderts, in deren Verlauf es zur Abspaltung von der römisch-katholischen Kirche und zur Entstehung der reformierten, lutherischen und anglikanischen Kirchen sowie einiger Freikirchen kam. Die gemeinsamen Grundlagen finden sich in der Abkehr von katholischen Lehrsätzen und er Rückbesinnung auf die Bibel und deren Lehre. Eine Trennung von der römisch-katholischen Kirche war zunächst nicht die Absicht der Reformatoren. Die Idee war ursprünglich, dass die christliche Lehre in der katholischen Kirche wiederhergestellt würde. Die Reformation entstand nicht an einem Ort durch einen Menschen - es gab verschiedene Zentren und verschiedene Reformatoren die von unterschiedlichen Voraussetzungen her kamen und in unterschiedlichen politischen Verhältnissen arbeiteten. Den Auslöser zur Reformation kann man nicht in einem einzelnen Punkt definieren, es waren vielmehr verschiedene Dinge die sich ansammelten und irgendwann auf dem Höhepunkt zur Explosion kamen.

Da waren z.B. diverse Reformbeschlüsse, die anstanden, ausgearbeitet und dann aber nicht so übernommen wurden wie sie hätten sollen. Bestehende Beschlüsse wurden vom Papst abgeschwächt. Verschiedene Steuern, Gebühren und Abgaben flossen in die päpstlichen Kassen. Diese wurden von vielen Fürsten als zu hoch empfunden. Dazu kam, dass der Ablasshandel - Sündenvergebung ist käuflich erwerbbar - zunehmend unter Kritik stand. Ein ganz entscheidender Wendepunkt kam mit der Bibelübersetzung ins Deutsche durch Martin Luther. Das wachsende Buchdruckerhandwerk ermöglichte die Bibel und vor allem diverse "ketzerische Schriften" der Reformatoren in Grossauflage heraus zu geben. Zum ersten Mal wurden die Leute zum selbständigen Lesen der Bibel, was in der katholischen Kirche nicht erlaubt war, animiert, so dass dadurch viele ungeklärte Fragen entstanden. Auch die Schriften der Reformatoren wurden mit Interesse gelesen. Die Menschen begannen die katholische Kirche mit ihren Lehren zu hinterfragen und so entdeckte man viele Dinge, die nicht mit der Bibel unterstützt werden können.

Kritik an bestehender Tradition   

Es gibt zwei Ansätze in der Kritik an der Tradition der Alten Kirche, die von verschiedenen Seiten unterstützt wurden:

  • Luther unterzog die Tradition der Kirche einer strengen Überprüfung. Messlatte war der Text der Bibel. Traditionen, die nach seiner Meinung der Schrift zuwider waren, waren abzuschaffen. Er trat aber dafür ein, dass Traditionen, die nicht direkt auf der Bibel fussten, aber hilfreich für das Leben der Gläubigen waren, beizubehalten. 
  • Zwingli und Calvin lehnten alle Traditionen ab, die nicht in der Bibel begründet sind. Von daher haben die Reformierten nüchterne Gotteshäuser, die höchstens mit Bibelsprüchen dekoriert sind. Zwingli lehnte teilweise sogar Instrumentalmusik in der Kirche ab. Das Abendmahl sei eine Gedenkfeier.     

Politische Entwicklungen  

Wie bereits oben erwähnt, waren es nicht nur die politischen oder sozialen Missstände der Kirche, die zur Auslösung der Reformation führten. vielmehr boten diese Aspekte Nährboden für die neuen theologischen Gedanken der Reformatoren. Zum theologischen Ringen um die richtige Auslegung der Bibel traten auch bald politische Aspekte hinzu. Die neuen Gedanken gaben den Reichsfürsten eine theologische Begründung, die von Rom auferlegte Abgabenlast reduzieren zu können. Das Entstehen der protestantischen Landeskirchen stärkte ebenfalls die Autonomie der Fürstentümer. es kam in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu verschiedenen Kriegen zwischen Katholiken und Protestanten innerhalb Deutschlands und der Schweiz, die in Deutschland 1555 mit dem Augsburger Religionsfrieden und in der Schweiz 1531 mit dem zweiten Landfrieden von Kappel endeten. Bei beiden lief es auf "cuius regio - eius religio" (wessen Land dessen Glaube) hinaus. Dies bedeutete für Deutschland, dass der jeweilige Fürst die Konfession seines Landes bestimmte, während in der Schweiz die jeweilige republikanische Regierung im Kanton dies entschied.    

Die radikalen Ansätze  

Für Reformatoren wie Thomas Müntzer, Andreas Bodenstein von Karlstadt, Menno Simon oder Jakob Hutter stand die Zeit unter apokalyptischen Vorzeichen. Einige unter ihnen deuteten die Ereignisse spiritualistisch und sahen ihre Aufgabe darin, dem in ihren Augen real hereinbrechenden Reich Gottes als einer endzeitlichen Herrschaft der Gerechtigkeit die Bahn zu ebnen. Allerdings bleibt zu sagen, dass die "Radikalen" sehr unterschiedliche Ansätze verfolgten.  

Sie suchten enthusiastisch die Schaffung endzeitlicher Strukturen. die Gemeinden sollten aus in wahrhaftigem Glauben Getauften bestehen (Wiedertaufe/Erwachsenentaufe). Sie wirkten bis in die politischen Strukturen hinein und kehrten die sozialen und politischen Verhältnisse teilweise revolutionär - in Form der berühmten Bauernkriege - um.

Dies stiess nicht nur auf Seiten der sozialen Oberschicht und der katholischen Kirche auf heftigen Widerstand. Auch die Protestanten mit Luther an ihrer Spitze riefen zur gewaltsamen Beendigung der Unruhen auf. Mit Waffengewalt bereiteten die fürstlichen Truppen den Aufständen ein Ende - die Täufer fanden erst als Auswanderer in Amerika religiöse Freiheit. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts kam eine zweite Generation von Reformatoren zum Zug. In Genf war dies Johannes Calvin und in Zürich Heinrich Bullinger, der Nachfolger von Zwingli. Deren Beitrag war es, die Reformation theologisch zu festigen - Calvin mit seine "Institution", Bullinger mit dem "Zweiten Helvetischen Bekenntnis". Beide übten einen europaweiten Einfluss auf den Protestantismus aus.    

Die Reaktion der katholischen Kirche  

Die katholische Kirche versuchte zuerst zu überzeugen, dann verlegte sie sich auf politischen und kirchlichen Druck. Luther musste fliehen und überlebte nur dank fürstlichem Schutz. Zwingli hingegen gelang es, den Rat von Zürich von der Richtigkeit seiner Lehre zu überzeugen. Die neuen Ideen der Reformation verbreiten sich wie ein Lauffeuer - die Bevölkerung strömte zum neuen Glauben, Reichsstädte und Fürsten wechselten zur Seite der Reformation. Der damalige Kaiser Karl V. blieb katholisch, konnte sich jedoch nicht auf die Niederschlagung der Reformation konzentrieren, da ihn die Aussenpolitik (Türkei und Frankreich) stark beanspruchte. In der Folgezeit wurde durch die Gründung es Jesuiten-Ordens die Reformation innerhalb der katholischen Kirche eingeleitet. Die Reformation war einer der grossen Wendepunkte in der Geschichte des Abendlandes. Für die Geschichte des Christentums bedeutete die Reformation, dass die bestehende Allmacht der katholischen Kirche gebändigt werden konnte. 

Täufer um Zürich, um Schaffhausen

Täufer um Zürich  

Ulrich Zwingli wurde 1506 Pfarrer in Glarus und beteiligte sich intensiv an den Feldzügen der Glarner für den Papst 1512-1515 in der Lombardei. Während er sich zuerst stak mit humanistischen Schriften befasste, beschäftigte er sich später sehr intensiv mit dem eben erschienen griechischen Neuen Testament des Erasmus von Rotterdam. Dabei kam er zu der Erkenntnis, dass die Lehre der Kirche in manchen Dingen nicht mit dem Neuen Testament übereinstimmt. 1516 begann er gegen Wallfahrten, Ablasskrämer und andere kirchliche Missstände zu predigen. Er forderte die Bischöfe auf, die Kirche nach Anleitung des göttlichen Wortes zu verbessern. 1519 kam Zwingli nach Zürich, um dort fortlaufend die Evangelien auszulegen. Er brachte den Zürcher Rat soweit, dass dieser sämtliche Prediger aufforderte, dem Evangelium gemäss zu predigen. Zu Beginn seiner Zeit in Zürich waren die täuferischen Führer seine Genossen, nach verschiedenen Disputationen wurde er zu einem verbitterten Gegner derselben. Den Zürcher Täufern ging die Reformation unter Zwingli viel zu langsam und zu wenig konsequent voran. Auf die Reformation haben viele lange gewartet. Und jetzt, wo sie rechtlich vollzogen war, wollte man schnell und radikal die Kirche nach urchristlichem Bild neu ordnen. Doch Zwingli zögerte. Die Reformation kam durch Ratsbeschluss zustande. Zwingli konnte also nicht einfach die Messe und die ganze römische Religion wegwerfen. Es musste seine Zeit haben und reifen, auch wenn es noch Jahre dauern sollte bis zum Abschluss der Reformation. Zusätzliche Hindernisse waren, dass in Zürich nicht alle hinter der Reformation standen, sondern dass es auch viele gab, die bei den römischen Traditionen bleiben wollten. Die andere Seite wollte gar nicht nach biblischem Vorbild vorgehen, sondern einfach radikal mit allem, was einen römischen Einfluss hatte, brechen. Zwingli sah sich also mit verschiedenen Ansichten konfrontiert und musste weise vorgehen, um die Reformation auf guten Boden zu bringen. Zwingli und die Täufer waren sich in den Grundsätzen einig, es hätte also nicht zum Bruch kommen müssen. Das lange Warten auf Veränderung bewirkte bei den Täufern aber eine wachsende Unduldsamkeit. Mit der Zeit wurde dieses Feuer der Unduldsamkeit mehr und mehr geschürt, bis die Bombe platzte.  

 Täufer um Schaffhausen  

Das berühmteste Dokument des Schaffhauser Täufertums ist das Schleitheimer Bekenntnis, das anlässlich der Täufersynode vom 24. Febr. 1527 von Michael Sattler abgefasst worden war. Es stellt keine Zusammenfassung der wichtigsten Glaubenssätze der Täufer dar, sondern verfolgt das Ziel, gewisse unter den Täufern strittige Punkte zu klären und von der Bibel her zu beleuchten. Die sieben behandelten Themenkreise sind: Taufe, Gemeindezucht, Abendmahl, Absonderung von der Welt, Hirtenamt, Obrigkeit und Eid. Im Folgenden sind die wesentlichen Artikel des Schleitheimer Bekenntnisses notiert. Sie sind stark gekürzt, geben aber trotzdem einen Einblick in die Gedanken der Täufer.  

 

  1. Über die Taufe

    Die Taufe soll allen denen gegeben werden, die über die Busse und Änderung des Lebens belehrt worden sind und wahrhaftig glauben, dass ihre Sünden durch Christus hinweggenommen sind. Damit wird jede Kindertaufe ausgeschlossen, des Papstes höchster und erster Gräuel.

     
  2. Über die Hirten in der Gemeinde

    Der Hirte der Gemeinde Gottes soll ganz und gar nach der Ordnung von Paulus einer sein, der einen guten Leumund von denen hat, die ausserhalb des Glaubens sind. Sein Amt soll sein lesen, ermahnen, lehren, mahnen, zurechtweisen, bannen, vorbeten, das Brot anfangen zu brechen und in allen Dingen des Leibes Christi Acht haben. 

     
  3. Über die Obrigkeit

    Die Obrigkeit ist eine Gottesordnung ausserhalb der Vollkommenheit Christi. Es straft und tötet den Bösen und schützt und beschirmt den Guten.



    Erstens:      Christen sollen sich nicht des Schwertes gegen andere Menschen bedienen.

    Zweitens:    Christen sollen nicht Urteil fällen über andere.

    Drittens:      Christen sollen nicht der Obrigkeit angehören.

    Letztlich:      Unser Haupt ist Christus und wir als seine Glieder sollen gemäss Christi Sinn handeln.

     
  4. Über den Eid

    Der Eid ist eine Bekräftigung unter denen, die zanken oder Versprechungen machen, und es sit im Gesetz befohlen, dass er im Namen Gottes allein wahrhaftig und nicht falsch geleistet werden soll. Christus, der die Erfüllung des Gesetzes lehrt, der verbietet den Seinen alles Schwören, sowohl Recht als auch Falsch, sowohl beim Himmel als auch beim Erdreich.

Täuferartikel

Täufer um Bern

"Bist du jetzt auch noch bei den Wiedertäufern? Seit wann haben wir wieder eine solche Pest im Amt? Weisst du, dass keine Täufer hier geduldet werden? Ich glaube Brandis sei gegenwärtig sauber, ausser einigen sturmen Weibern sei niemand mehr bei diesem Pack, nur hinter Trachselwald und Langnau hielten sich noch ein paar versteckt!"  

Diese Worte eines Berner Landvogtes zu einem jungen Mann, der kürzlich zu den Täufern übergetreten war, widerspiegelt die allgemeine Ansicht zu den Täufern in der Schweiz.  

Es ist nicht ganz einfach, sich einen Einblick in die Täufergeschichte um Bern zu verschaffen. Man hat für diesen Teil der Schweiz keinen optimalen Informationsstamm. Obwohl man hier und dort Daten findet, so sind diese sehr lückenhaft und meistens sehr kurz gehalten. Beinahe alle Informationen stammen von Täufern, welche Bekenntnisse unter grausamer Folterung machten. So sind die Aussagen der Täufer sehr ungenau und man trifft zum Teil auf Namen, die irgendwann aus dem Nichts erscheinen und wieder verschwinden. Es stellt sich auch die Frage, welche Menschen man als Täufer bezeichnen kann. Wo ordnet man Männer wie Thomas Müntzer ein - als Täufer oder Lutheraner? Viele muss man daher als Täufer-Freunde, nicht aber als eigentliche Täufer bezeichnen.  

Der bernische Täuferkreis war eine bodenständige Gemeinschaft deren Anhänger man nicht als unbeständige Eintagsfliegen bezeichnen kann. Sie waren bereit, alle möglichen Strapazen auf sich zu nehmen. Vor Verhör und Folter schreckten sie nicht zurück. Und sie scheuten sich nicht, viele Kilometer Fussmarch zu machen, um zu ihren geheimen Versammlungen zu gelangen. Sie setzten sich stark für das von ihnen erkannte Bibelwissen ein.    

Verhaftet - verhört - ertränkt  

Zur Berner Disputation von 1528, an der die Entscheidung zur Einführung der Reformation fiel, waren auch acht Täufer erschienen. Sie wurden nicht zugelassen, sondern verhaftet. Erst nach Abschluss fand ein Gespräch statt, bei dem Zwingli selber versuchte, die Täufer ihres Irrtums zu überführen. Ohne Erfolg. Man verbot ihnen Stadt und Land und drohte ihnen mit dem Tod, sollten sie zurückkehren. Drei von ihnen kehrten jedoch zurück. Sie wurden verhaftet und verhört. Mitte Juli 1529 wurden sie in der Aare ertränkt. Am 13. März 1535 wurde von der Obrigkeit beschlossen, dass man von "nun an die Mansbilder mit dem Schwert, Wybsbilder aber mit dem Wasser on Gnad vom läben zum tod richten lassen werde". Das oben genannte Todesurteil der drei Täufer ist nicht das einzige. Hans Haslibacher vom Haslibach bei Sumiswald ist ebenfalls einer der zahlreichen urkundlich nachgewiesenen Täufer, die zwischen 1528 und 1571 in Bern hingerichtet worden sind.  

Jagd auf Menschen  

Im Mandat von 1583 ist zu lesen, "Diese aufrührerische Sekte auszurotten will alles nichts nützen, sie mehret sich von Tag zu Tag. Es sollen die täuferischen Vorsteher, Prediger, Lehrer und Rädelsführer ohne alle Gnade mit dem Schwert gerichtet werden. Die Amtsleute sollen auch Leute dingen und besolden, um Tag und Nacht den Häuptern und Vorstehern nachzustellen. Höfe von Täufern, wo keine Kinder sind, sollen womöglich verkauft werden."  

Es brachen schwere Zeiten an für die Berner Täuferinnen und Täufer. Von den Oberämtern und von Bern machen Weibel und andere (mehr oder weniger) Beauftragte Jagd auf "menschliches Wild". Es wurden richtige Hetzjagden veranstaltet. Diese waren recht einträglich, denn in den "Amtsbüchern" sind immer wieder Beträge vermerkt, die ausbezahlt worden sind, wenn die Jagd erfolgreich war. Da wurden schon einmal 100 Gulden (1Gulden = 2 Pfund) auf einen Täuferlehrer ausgesetzt, um sich seiner habhaft zu werden. In einer Chronik ist Folgendes vermerkt. "1644 - Grosse Täuferjegi. Die Regierung fahndet nach Ueli Zaugg, Ueli Neuhaus und Christen Stauffer auf dem Äbnit im Eggiwil. Viele Täufer im Gefängnis, 48 von ihnen ausgewiesen."    

Folter  

Durch Folter versuchte man bei Männern wie auch Frauen, Geständnisse zu erzwingen, Namen ihrer Glaubensgeschwister, ihrer "Lehre" oder die Versammlungsorte zu erfahren oder sie von ihrer "Irrlehre" abzubringen. In einem Aktenstück heisst es unter anderen: "…ist er leer am Seil auffzogen worden…" Beim zweiten Mal wurde dieselbe Person mit einem angehängten Stein aufgezogen. Von einem anderen Mann wird berichtet, dass er ebenfalls das erste Mal leer dann mit einem kleinen Stein und zum dritten Mal gar mit einem 75 Pfund schweren Stein aufgezogen worden ist. Den Frauen legte man beispielsweise die Daumenschraube an. In einem Mandat von 1670 heisst es: "… sölche Ungehorsame und widerspenstige köpf mit ruthen öffentlich schmeitzen und darüber auf die Grenze führen." Sollten sie das Land wieder betreten, werde man sie "mit gleichem tractament" gehandeln und darüber noch "mit dem Brönnysen zeichnen".    

Bussgelder  

In einem offenen Brief, der von den Kanzeln der Ämter Signau, Trachselwald und Brandis verlesen wurde, steht beispielsweise, dass man die Täufer mit 10 Pfund büssen und "so sy nicht abstan, an Lyb und Gut schaffen, auch an denen die sy husend ihre heusser und schür uff den grund hynwägschlyssen werde. Ein Sohn musste 10 Pfund Strafe bezahlen, weil er seinen täuferischen Vater ohne Erlaubnis "ghuset und ghofel" hatte. Folgendes ist ebenfalls festgehalten: "1599. Vom Hanns Gerber, dem alten in Goldt der Kilchöri Langnow, von wägen syner ungehorsamen widerthäuferischen ehefrouwen gutt yngenommen 1800 Pfund."    

Schutz der Täufer durch Bürger  

Die weltliche Obrigkeit erteilte der geistlichen Obrigkeit 1585 den amtlichen Auftrag: "Wöllend alle Prädikangen, die in das hiesig Capitel gehören, versammeln und miteindern sich ettlicher mitteln die täuferischen lehren und Versammlungen abzuschaffen ((beraten) und dann ihr meinung min Herren berichten." Die geistlichen Herren haben berichtet unter anderem: "… Die Verführer und falschen Lehrer mit allem Fleiss und Ernst aus E. Gn. Ländergetrieben werden…" Allen Untertanen solle mit Ernst verboten werden, irgendeinen Täufer "zu behusen und beholfen". Mit den Täufern dürfe kein Handel betrieben werden, weder mit Kauf noch Verkauf. Sie sollen angezeigt werden, damit sie von tauglichen Prädikaten unterrichtet werden. Falls sie sich nicht belehren lassen, sollen sie mit "Mus und Brott so lang erhalten werden, bis ihre Hartnäckigkeit gebrochen, oder sie nach E. Gn. Erkanntnus aus dem Land geschickt werden."    

Landesverweis  

Die Regierung veröffentlichte aufgrund dieses Gutachtens ein neues Mandat, in dem sie unter anderem verlautbaren lässt: *Das die (die Täufer) aber kein wahrnung noch underwysung annehmen, halsstarryg und ungehorsam belyben, auch nit usschweren wöltendm söllendt gfönglich uff die Grenzen der Landsmarch geführt, uss unserem Lande gewiesen werden, dass wir entschlossen syend, wann sie wiederumb in unsere Land gespiet kommen und ergriffen werdend, aber nit abstan sondern wie zuvor in ihrem irrtum halsstarryg belyben, sie als ungehorsam, abtrünnigen, meyneige lüt an lyb und läben zerstraffen." Oftmals wurden Täufer völlig mittellos über die Grenze vertrieben. Viele hielten es nicht aus und kehrten zurück.   Hunderte mussten im Laufe der Zeit das Land verlassen, Männer Frauen und Kinder. Familien wurden auseinandergerissen, ein Teil musste gehen, der andere blieb zurück. 1672 kam es zu einer grossen, gewaltsamen Vertreibung. Etwa 700 Personen zogen in die Pfalz. Andere wiederum wurden bei der Schifflände in Bern auf Boote verladen, um von dort ausser Landes geschafft zu werden.  

Ab auf die Galeeren  

Höhepunkt der Verfolgung im 17, Jahrhundert war der Ratsbeschluss, die Täufer auf die Galeeren zu "verschicken". Nach den Täuferunruhen in Eggiwil 1671 wurde an alle Amtsleuten und Venner ein Kreisschreiben gerichtet, in dem es unter anderem hiess: "Wir schickend eine Anzahl derjenigen underer ungehorsamen Underthanen der sogenannten Teüffern an eisen gefesselt in Italien auff die Venetianischen Galeeren zur ruderarbeit, und sind steiff entschlossen, wider alle die, so sich solche gestalten ungehorsam erzeigend gleich weis zu verfahren…" Dies waren keine leeren Worte. Was schriftlich festgehalten war, gelangte auch zur Ausführung. Zwölf Täufer wurden zu zwei Jahren Dienst auf Galeeren verurteilt und am 16. März wurden sechs von ihnen aneinander gefesselt in Thun auf ein Schiff gebracht und von da über Interlaken auf ein Schiff geführt. Nun ging die Reise weiter bis Bergamo und Venedig.   Ein Mandat von 1670 bestimmt, dass die Güter der Verschickten verkauft werden. Die Regierung war bemüht, die Täufer nach Möglichkeit mittellos zu vertreiben und ihr Vermögen im Land zu behalten. Zahlreiche Höfe von Bauern wurden in der Folge konfisziert.    

Nächstenliebe  

Nicht alle haben sich an der Verfolgung der Täufer beteiligt. Immer wieder gab es Menschen, die bereit waren, den Verfolgten zu helfen, auch wenn sie in Gefahr liefen, dafür bestraft zu werden. So waren z.B. die Täuferjäger beim Volk unbeliebt. Wo immer sie auftauchten, bereitete man ihnen Schwierigkeiten. Die Landbevölkerung ergriff oft Partei für die in Bedrängnis geratenen Täufer. Massnahmen der Regierungen könnten manchmal verhindert werden. Auch von ihren Glaubensgeschwistern im Ausland (Pfalz, Niederlande, Elsass) bekamen die Täufer Hilfe. Trotz aller Bemühungen von Seiten der Obrigkeit verschwanden die Täufer nicht.    

Ende der Täuferverfolgungen in Bern  

Im Gegensatz zu den zürcherischen Täufern (bis ca. 1620) konnte sich in den schwerer zugänglichen und damit auch schwerer kontrollierbaren Tälern des Emmentals das Täufertum weiterhin erhalten. 1711 erfolgte ein Massenexodus von ca. 350 bernischen und neuenburgischen Täufern auf vier Schiffen aareabwärts, meist in Richtung Holland. Nicht wenige reisten weiter nach Amerika, wo sie sich als "Amishe" niederliessen. Die zurückbleibenden Täufer erlebten durch ein neues Täufermandat um 1718 erneut ein Aufflackern der Täuferverfolgung. Im Jahre 1743 wurde die bernische Täuferkammer aufgehoben und 1798 mit der ersten Helvetischen Verfassung die Religionsfreiheit garantiert. Ab 1810 wurden zwar die Täufer offiziell geduldet, solange sie nicht missionarisch tätig waren. Allerdings mussten sie sich der "Täuferordnung" gemäss kleiden und teilweise wurden sie sogar zwangsgetauft. Erst mit dem Jahr 1820 wurden Geburten, Eheschlüsse und Gemeinde anerkannt. Damit wurde die Täuferverfolgung endlich dem Kapitel der (traurigen) Geschichte zugewiesen.

Amische

Amische, eine Abspaltung der Mennoniten  

Die Amisch (engl. Amish) ist eine Religionsgemeinschaft, welche ihre Wurzeln in der Täuferbewegung des 16. Jahrhundert hat. Im Jahre 1693/94 kam es im Kreise der Alttäufer (Mennoniten) aufgrund von Streitigkeiten in Fragen der Gemeindezucht zu einer von Jacob Amann provozierten spaltung. Jacob Amann, "Patriarch" genannt, welcher seine Wurzeln im Simmental BE hat, gründete die erste Amisch-Gemeinschaft im Elsass in Ste-Marie-aux-Mines.  

Die "Brüder" des Elsasses wurden zu strenger Disziplin in der Religionsausübung aufgerufen. Durch die Strenge geriet Amann und seine Gefolgschaft bald in Konflikt mit den alten Wiedertäufern vom Elsass, später auch in der Schweiz und der Pfalz. 1712 musste - auf Befehl Ludwigs XIV - die gesamte täuferische Gemeinschaft umsiedeln. So begaben sie sich in die nähere und weitere Umgebung, teilweise auch wieder in die Schweiz (Neuenburg und Fürstentum Basel).  

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts erhöhte sich der religiöse und wirtschaftliche Druck auf die Amischen und so wanderten sie in den Jahren 1707-1754 in die Staaten von Amerika aus. Die Ansiedlung konzentrierte sich in den ersten Jahren auf den Staat Pennsylvania. In einer zweiten Auswanderungswelle um 1815 siedelten sich etwa 3000 Schweizer Amische in den Staaten Ohio, Indiana, Illinois und Ontario (Kanada) an. In den Folgejahren ahmten viele Amische das Beispiel der ersten Emigranten nach, weshalb wir heute im Norden und Osten der USA, sowie im Süden Kanadas viele Amischgemeinden finden.  

Die Amischen sind eine Glaubensgemeinschaft, die sich auf eine besondere "Ordnung" abstützt. Sie sind allgemein dafür bekannt, dass sie einen sehr kargen Lebensstil fühlen. Die meisten Amisch-Familien erwirtschaften ihren Unterhalt im Gebiet der Landwirtschaft. Sehr viel Wert wird auf Familie, Gemeinschaft und Abgeschiedenheit gelegt. Sie lehnen technischen Fortschritt in den meisten Fällen strikt ab. Eine besondere Tradition ist die Textilkunst "Patchwork". Um die Unvollkommenheit der Menschen zu repräsentieren, wird in jedem dieser individuellen Werke ganz bewusst ein Fehler eingearbeitet.    

Religion  

Alle zwei Wochen findet auf dem Hof eines ausgewählten Mitgliedes ein Gottesdienst für die ganze Gemeinde statt. Während des Gottesdienstes sitzen Männer und Frauen getrennt voneinander. Dem Prediger ist es untersagt Notizen zu verwenden. Die komplette Predigt wird frei vorgetragen. Anschliessend isst man gemeinsam. Die Kinder der Amish werden erst nach dem 16. Lebensjahr getauft. Dabei sollen sich die Kinder bzw. mittlerweile Jugendliche bewusst für ein Leben als Amish entscheiden oder willentlich einen anderen Weg beschreiten. Wer sein Taufversprechen bricht, wird mit dem so genannten Bann belegt; man wird vom gemeinschaftlichen Leben ausgeschlossen (z.B. isst niemand mehr am selben Tisch mit einem Ausgestossenen). Das bleibt so, bis sich der Verstossene bekehrt.    

Zahlen  

Zur Zeit gibt es ungefähr 220'000 Amische, welche grösstenteils in 250 Gemeinschaften in 26 Staaten der USA und in Ontario, Kanada, leben. Durch die hohe Geburtenrate von über sechs Kindern pro Frau wird die Anhängerzahl alle 20-25 Jahre verdoppelt. Alleine im Jahr 2004 beläuft sich der amische Bevölkerungszuwachs auf 4,5 %.

Die Frauen der Amischen müssen aus Glaubensgründen Hauben tragen. Ausserdem ist es ihnen verboten, ihre Haare zu schneiden oder Schmuck zu tragen. Ihre Bekleidung ist entweder ein Rock oder ein Kleid, das die Farbe lila, blau, grün oder braun haben darf. Nachdem sie verheiratet ist, darf eine amische Frau nur noch schwarz tragen.  

Den Männern sind kurze Haare vorgeschrieben: in der Form einer "Pfanne" geschnitten dürfen keine Haare unter dem Hut hervorquellen. Nach der Hochzeit tragen sie dunkle Anzüge, einen schwarzen Hut und lassen sich einen Bart wachsen. Nun bezieht das Ehepaar ein eigenes Haus. Viele Kinder werden als Segen Gottes betrachtet und können ihre Arbeitskraft in die familieneigene Farm einfliessen lassen.  

Die Frauen bringen ihre Kinder zu Hause auf die Welt. Ein modernes Krankenhaus besuchen sie nur bei Komplikationen.

Schweizer Täufertrachten

Zur Kleidung der Täufer in der Schweiz gibt es nicht viel zu berichten. Die Täufertracht, die das Kokette, Üppige und Modische meidet, um das Schlichte und Zweckmässige umso stärker hervorzuheben, entstand nicht zur Zeit der Gründerstunde im Zürich des Jahres 1525. Die damalige Anhängerschaft entstammte aus den Kreisen der Handwerker, der Bauernschaft, der humanistisch gebildeten Patrizier und Bürger, sowie der radikal evangelisch gesinnten Geistlichkeit. Sie alle trugen ihre Standeskleidung. Erst als durch die Verfolgung das Täufertum zu einer vorwiegend bäuerlichen Skulptur zusammengeschrumpft war, konnte eine eigentliche Täufertracht entstehen.  

Die Kontroverse um 1693 hatte sicher auch die betonte Schlichtheit der Täufertracht nachhaltig geprägt. Als Selbstversorger lebten die Täufer teilweise in Gütergemeinschaft und hielten sich sehr abseits von der "Zivilisation". Sie stellten ihre Kleiderstoffe auch mehrheitlich selber her. Bekanntlich haben sie Flachs angebaut und Wolle ihrer Schafe zu "Halbleinen" verarbeitet. Weiter ist zu bedenken, dass die Täufertracht keine Sonntagstracht war, sondern ein Werktagsgewand, dessen Zweckmässigkeit sich im Arbeitsalltag erweisen musste.   So wird die schlichte bäuerliche Tracht letztlich auch zum Hinweis auf die leidvollen Wege des Schweizer Täufertums durch die Jahrhunderte.

Referenzen und Quellen

 

Fachliteratur

  • Blanke, Fritz (2003): "Brüder in Christo". Schleife -Verlag
  • Veraguth, Paul (2003): "Heile unser Land". Schleife-Verlag    

Geschichten & Romane 

  • Zimmermann, Katharina (1995): "Die Furgge". Zytglogge-Verlag. Spannender Roman über  "Madleni", eine junge, verfolgte Täuferfrau aus dem Gebiet Schangnau.
  • Tavel, Rudolf von (1927): "Der Frondeur", u.a. Cosmos-Verlag (1979), vergriffen. Berndeutscher Roman, sehr autenthisch.
  • Schranz, Hans (1974): "Passion im Emmental". sjw-Heft, vergriffen  
  • Laederach, Walter (1938): "Passion in Bern". Rentsch-Verlag, vergriffen
  • Brun, Georg (2003): "Der Augsburger Täufer". Aufbau-Taschenbuchverlag    

Filme

  • "The Radicals", 1992, 90 min. Ein Film über die süddeutschen Täufer Michael & Margaretha Sattler.
  • "Im Leben und über das Leben hinaus", 2005, 150 min. Ein Einblick in Täufergemeinden heute im Sonneberg/Jura und Berne/Indiana.
  • "The Headsman", 2005, 108 min. Ein Film nicht ganz ohne über Täufer im Tirol

Inhalt und Bilder, copyright: Lori Keller, Sara Kündig, Themendossier BESJ-Lagermitarbeiterkurs 2006/07, Bund Evangelischer Schweizer Jungscharen (BESJ)

www.besj.ch

www.juropa.net

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